Km 24356 - Km 24529_Batlow - Yass
Das Wetter ist mittlerweile stabil und frühlingshaft warm. Die Steigungen und Abfahrten jedoch haben sich nicht verändert - es geht noch immer hoch und runter. Den ganzen Tag über schieben wir ächzend die Strasse hoch und rollen anschliessend im Affengaracho wieder runter. Wir geniessen die Landschaft, die Aussicht und lassen uns über Wondalga nach Tumut rollen. Nach einem kurzen Essensstopp biegen wir auf die Gocup Road ein und ächzen weitere dreissig Kilometer nach Gundagai. Unterwegs befinden sich einige Strassenarbeiten, bei denen die eine Seite jeweils gesperrt ist. Fleissige Arbeiter halten ein Stopschild in der Hand und der Reisende darf entweder fahren oder nicht - je nach dem was die Gegenseite gerade so macht. Diese Abschnitte befanden sich bei Anstiegen unsererseits - und da die Australier ja übervorsichtig sind, wurde das Schild für alle Autofahrer so lange nicht gedreht, bis die Pédaleurs den Berg erklommen hatten. In Indien hätten auf einer vergleichbaren Strassenbreite zwar locker zwei LKW gekreuzt, ein Motorroller überholt, ein Mann am Strassenrand gelegen, einige Kinder Fussball gespielt und die Marktfrau fleissig ihre Bananen angeboten, aber hier in Downunder nimmt man die Sicherheit eben ernst. Und so warten ein Dutzend Autofahrer darauf, bis die bekloppten Velofahrer endlich aus dem Sichtbereich sind und das Stopschild sich für sie in ein Slowschild verwandelt. In Gundagai machen wir uns auf die Suche nach einem Camping, als uns ein Radler einholt. Ein Tourenfahrer - der erste seit Monaten. Nico heisst er und kommt aus Argentinien. Er findet Australien langweilig, denkt, dass er nicht für Wasser bezahlen müsse, hat sowieso schon zu viel von der Welt gesehen und so weiter. Wir wissen alles von ihm - er nichts von uns. Langweilig. Wir sind froh, schlägt er schon nach wenigen Kilometern eine andere Route ein. Wieder ein Grund mehr, uns über die positiven Begegnungen auf dieser Reise zu freuen.
Kurz nach der Verabschiedung finden wir den Campingplatz, stellen unser Zelt auf einer trockenen Wiese auf, gehen einkaufen und geniessen den Rest des Tages mit Schnitzen, Schreiben und Rumlümmeln.
Am nächsten Morgen biegen wir auf den Hume Highway ein. Die Strecke ist überraschend hügelig und somit auch etwas anstrengender als gedacht. Die erste Pause machen wir beim "Dog on the Tucker Box". Hier handelt es sich um eine grossangekündigte Sehenswürdigkeit. Schlussendlich finden wir auf einem Platz inmitten von Tankstelle, Snackbar und Wiese eine kleine Bronzestatue mit einem Hund auf einer Lunchkiste. LoL Heute ist es wieder wärmer und so können wir sogar das erste Mal seit Wochen im T-Shirt pedalieren. Aber trotzdem - wir sind müde. Irgendwie steckt gerade etwas der Wurm drin bei den Pedaleurs. Entweder liegt es an unserer Erkältung, an den Hügeln, dem Heuschnupfen, der verpassten Passfahrt oder einfach daran, dass wir dieses riesige Land beinahe einmal durchquert haben. Der Pfuus ist etwas raus und so gönnen wir uns bereits am Mittag unseren Feierabend. Das Zelt stellen wir in Juglong auf das örtliche Polofeld, welches an Nicht-Polotagen als Campingplatz dient. Die Wiese ist riesig und nach und nach füllt sie sich mit Campervans aller Art. Wahnsinn, was da alles so daher gerollt kommt. Einige Wohnwagen sind so wie man sie kennt, andere gleichen eher einem kleinen Haus. Da hat es zwei bis drei Satelittenschüsseln auf dem Dach, einen Grill auf der einen und einen Kühlschrank auf der anderen Seite und man glaubt es kaum - einige haben sogar ihre eigene Waschmaschine dabei. Happy Flag - oder auch Heitere Fahne. Juglong ist ziemlich klein. Also eigentlich besteht es nur aus dem Polofeld, einem Spielplatz und einem Restaurant. In letzterem holen wir uns unser Mittagessen. Zu unserer Überraschung scheint das Lokal ziemlich berühmt. Viele, viele Kleberli die von Auszeichnungen zeugen, kleben an der Eingangstür. Wir betreten die Räumlichkeit und stehen inmitten einer Kleiderboutique Schrägstrich Papeterie Schrägstrich Orientalischem Café. Die Tische und Stühle sind kunterbunt zwischen den Kleiderständern, den Porzellanvögeln und den Schreibmaterialien angeordnet. Bitzli Chrüsimüsi, aber mega härzig. Und das Sandwich, das wir uns gönnten, war mega. Mega, mega, mega fein. Am Nachmittag liest Cynthia die meiste Zeit und Mike schnitzt an seinem Tikimann, dem er aus einem gefundenen Ast langsam aber sicher Leben einhaucht. Die ganze Anlage ist ziemlich spartanisch eingerichtet. Es hat einige Toiletten, eine Donatebox und das wars dann schon. Es würde uns schon interessieren, wie viele der Camper von heute Nacht wirklich etwas ins Kässeli geschmissen haben...
Auch am nächsten Tag ist es mit der Motivation nicht weit her bei uns zweien. Es ächzt und klöhnt den Hügel hoch und wieder runter. Auch das Wetter hat etwas nachgelassen, die Temperaturen sind gesunken und wir haben enormen Gegenwind. Heute legen wir - so auch die letzten und kommenden Tage - irgendetwas zwischen siebenhundert und tausend Höhenmeter zurück. Und das jeden Tag aufs Neue völlig Unerwartet. Am späten Nachmittag dann hat Mike zu allem Überfluss auch noch einen kleinen Unfall. Durch ein Missgeschick - das Rad ist ja auch doof, dass es selber so vor sich herrollt und nicht stehen bleiben will wenn man es an einen Pfosten lehnt - verheddert sich das Kettenrad in seinem Unterschenkel. Vier riesig, ölige Löcher hat das Bein nun. Naja - passt nun wenigstens zu seinem anderen Bein, das dieselben Verletzungen vor einigen Jahren abbekommen hat. Wir verarzten das Bein so gut es geht und pedalieren weiter - the show must ja schliesslich go on.
Gegen Abend erreichen wir ziemlich abgekämpft und etwas grumplig von dem anstrengenden Tag das Städtchen Yass. Herzig. Wir kaufen ein und buchen uns auf dem Camping ein. Wieder einmal kriegen wir den Arschplatz. Also wirklich. Ganze dreihnundert Meter müssen wir bis zur Toilette marschieren. Klingt nicht nach viel? Ja dann erwach mal mitten in der Nacht, wenn es eisig kalt ist und marschier die Strecke ab ohne dass sich ein Tröpfchen ins Unterhöschen schleicht. Eben. So wurde der Busch hinter unserem Zelt diese Woche halt einmal mehr getränkt. Wir gucken uns Yass etwas an, kaufen neue Pflaster für das Patientenbein und ärgern uns anschliessend darüber, dass wir den Kocher das letzte Mal nicht richtig geputzt haben und der natürlich nun auch nicht richtig funktioniert. Aber für Pasta reichte es dann doch. Und nach einem Stückli Schoggi schleicht die Laune ganz allmählich wieder in die Höhe.